Montag, 4. September 2023

Transition - zurück in Guinea nach zweieinhalb Monaten Aufenthalt in der Schweiz

Sicher denkt Ihr, was dieser Betreff soll!?! Dieses Wort kannte ich nicht, bevor wir nach Guinea zogen. Nun hier ist es in aller (Expats-)Leute Mund: "how was your transition?" - Wie war deine Transition? Auf Deutsch: Übergang oder Umstellung. Unterdessen kenne ich dieses Wort resp. seine Bedeutung gut. Der Flug von der Schweiz nach Guinea ist jeweils der Beginn der "Transition". Bereits in Brüssel oder Paris beim Umsteigen kommen wir jeweils zum Gate und dort sind wir oft als Weisse deutlich in der Minderheit - Afrika beginnt bereits dort.
Aber nun einfach ein paar Worte zu unserem "Übergang" in den vergangenen Tagen. Dieses Mal war das Abschiednehmen und das Neu-Sicheinfinden viel einfacher als auch schon. Dies ist ein grosses Geschenk, und ich weiss auch, dass viele von euch dafür gebetet haben und an uns gedacht haben. Ich habe mich trotz Abschiedsschmerz richtig gefreut, wieder "nach Hause" zu gehen. Mit jedem Jahr hier in Guinea wachsen uns die Leute und die Arbeit mehr ans Herz. Die Reise verlief problemlos und unser Gepäck kam vollständig und ohne Schaden mit uns an. Das ist nicht selbstverständlich! Nicht vorzustellen, was mit dem vielen Gruyèrekäse geschehen würde, wenn ein Koffer tagelang irgendwo auf einem Flughafen stranden würde:-).

So waren unsere Körper sehr rasch wieder hier - die Seele braucht jeweils etwas länger.
Es ist einfach schwer zu beschreiben, wie anders die Welt hier ist! Heute Morgen versuchte ich es in Worte zu fassen, was denn eigentlich der Unterschied ist: vielleicht ist es das grosse "Gewusel", die Lebendigkeit, die Gerüche, "the way of life". Die Leute hier leben viel mehr im Kollektiv - selten sieht man jemanden alleine, immer und überall hört man Stimmen, Geschrei und Gelächter. Uns fiel in der Schweiz auf, dass es oft sehr ruhig ist in den Quartieren, keine Kinder auf der Strasse, keine Hühner, Schafe und Ziegen:-)
Wir müssen uns auch wieder an das komplett andere Klima gewöhnen - die 35 Grad in der Schweiz ertrugen wir viel besser als die 32 Grad hier mit der enorm hohen Luftfeuchtigkeit - fast nonstop sind wir nassgeschwitzt und dies ermüdet uns zur Zeit noch stark.
Kaum hatte das Flugzeug auf dem guineischen Boden aufgesetzt, begannen unsere Telefone zu klingeln. Wir wechseln nämlich unsere SIM-Karten jeweils bereits im Flugzeug. Hier ist es üblich, dass man nach langer Abwesenheit angerufen und begrüsst wird. Irgendwie scheinen alle im Umkreis von vielen Km zu wissen, dass wir lange weg waren. Die vielen Verkäuferinnen auf dem Markt, alle ehemaligen Schülerinnen, die Nachbarn, die Leute in der Kirche, der Polizist um die Ecke usw. So verbringen wir immer noch viel Zeit damit, von vielen Leuten begrüsst zu werden. Auch das ist doch so anders als in der Schweiz, n'est-ce pas? Alle erkundigen sich eingehend nach den Kindern, Grosskindern und Freunden. Jeder will wissen, ob alle wohlauf sind. Und Bürozeiten kennt man hier natürlich nicht. So kann es sein, dass das Telefon spät in der Nacht oder ganz früh am Morgen klingelt....
Viele haben auch auf uns gewartet, weil sie Bedürfnisse haben: kein Geld mehr haben, krank sind oder sonst ein Problem aufgetaucht ist während unserer Abwesenheit. Zu Beginn hat uns dies fast ein bisschen überwältigt und ehrlich gesagt auch gestresst. Wir versuchen zu hören, wo wir gefragt sind, und wo wir uns auch getrost abgrenzen können. Dies wird wohl so bleiben, so lange wir in Guinea sind.

Die Freude hier zu sein und die lieben Leute wieder zu sehen, wird auch überschattet von Ereignissen, die wir nicht einordnen können: eine junge Mutter stirbt während dem Kaiserschnitts ihres 3. Kindes - das Baby überlebt (übrigens eine von vielen Müttern, die während einer Geburt stirbt); Fatou, meine Kleinunternehmerin weiss nicht, wie sie alle die unvorhergesehenen Rechnungen bezahlen soll, die auf sie zukommen wie z. B. eine überhöhte Steuerrechnung oder eine ungerechtfertigte Mietzinserhöhung; Hortense und ihre Kinder waren alle lange und schwer krank - das Gehalt reicht nicht aus, um alle die Medikamente und Spitalbesuche zu bezahlen. Diese Situationen erscheinen mir oft so ungerecht, so schwierig und so unüberwindbar. Entmutigung will sich so breit machen.
Dann ist es einfach auch immer wieder gut, sich an den kleinen und manchmal auch grossen Dingen zu freuen, die es hier auch gibt. Und den Mut nicht aufgeben und zu wissen: wir machen das nicht allein, wir sind Teil einer weltweiten Gemeinschaft, die sich überall in der Welt für die Armen und Unterdrückten einsetzt.

Die Worte im Evangelium ermutigen uns weiterzumachen - der Wochenspruch für die kommende Woche aus den Losungen war so eine Ermutigung heute Morgen:
Christus sprich: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan. Matthäus 25,40b
 




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