Sicher denkt Ihr, was dieser Betreff soll!?! Dieses Wort kannte ich
nicht, bevor wir nach Guinea zogen. Nun hier ist es in aller
(Expats-)Leute Mund: "how was your transition?" - Wie war deine
Transition? Auf Deutsch: Übergang oder Umstellung. Unterdessen kenne
ich dieses Wort resp. seine Bedeutung gut. Der Flug von der Schweiz
nach Guinea ist jeweils der Beginn der "Transition". Bereits in Brüssel
oder Paris beim Umsteigen kommen wir jeweils zum Gate und dort sind wir
oft als Weisse deutlich in der Minderheit -
Afrika beginnt bereits dort.
Aber nun einfach ein paar Worte zu unserem "Übergang" in den vergangenen
Tagen. Dieses Mal war das Abschiednehmen und das Neu-Sicheinfinden viel
einfacher als auch schon. Dies ist ein grosses Geschenk, und ich weiss
auch, dass viele von euch dafür gebetet haben
und an uns gedacht haben. Ich habe mich trotz Abschiedsschmerz richtig
gefreut, wieder "nach Hause" zu gehen. Mit jedem Jahr hier in Guinea
wachsen uns die Leute und die Arbeit mehr ans Herz. Die Reise verlief
problemlos und unser Gepäck kam vollständig und
ohne Schaden mit uns an. Das ist nicht selbstverständlich! Nicht
vorzustellen, was mit dem vielen Gruyèrekäse geschehen würde, wenn ein
Koffer tagelang irgendwo auf einem Flughafen stranden würde:-).
So waren unsere Körper sehr rasch wieder hier - die Seele braucht jeweils etwas länger.
Es ist einfach schwer zu beschreiben, wie anders die Welt hier ist!
Heute Morgen versuchte ich es in Worte zu fassen, was denn eigentlich
der Unterschied ist: vielleicht ist es das grosse "Gewusel", die
Lebendigkeit, die Gerüche, "the way of life". Die Leute
hier leben viel mehr im Kollektiv - selten sieht man jemanden alleine,
immer und überall hört man Stimmen, Geschrei und Gelächter. Uns fiel in
der Schweiz auf, dass es oft sehr ruhig ist in den Quartieren, keine
Kinder auf der Strasse, keine Hühner, Schafe
und Ziegen:-)
Wir müssen uns auch wieder an das komplett andere Klima gewöhnen - die
35 Grad in der Schweiz ertrugen wir viel besser als die 32 Grad hier mit
der enorm hohen Luftfeuchtigkeit - fast nonstop sind wir nassgeschwitzt
und dies ermüdet uns zur Zeit noch stark.
Kaum hatte das Flugzeug auf dem guineischen Boden aufgesetzt, begannen
unsere Telefone zu klingeln. Wir wechseln nämlich unsere SIM-Karten
jeweils bereits im Flugzeug. Hier ist es üblich, dass man nach langer
Abwesenheit angerufen und begrüsst wird. Irgendwie
scheinen alle im Umkreis von vielen Km zu wissen, dass wir lange weg
waren. Die vielen Verkäuferinnen auf dem Markt, alle ehemaligen
Schülerinnen, die Nachbarn, die Leute in der Kirche, der Polizist um die
Ecke usw. So verbringen wir immer noch viel Zeit damit,
von vielen Leuten begrüsst zu werden. Auch das ist doch so anders als
in der Schweiz, n'est-ce pas? Alle erkundigen sich eingehend nach den
Kindern, Grosskindern und Freunden. Jeder will wissen, ob alle wohlauf
sind. Und Bürozeiten kennt man hier natürlich
nicht. So kann es sein, dass das Telefon spät in der Nacht oder ganz
früh am Morgen klingelt....
Viele haben auch auf uns gewartet, weil sie Bedürfnisse haben: kein Geld
mehr haben, krank sind oder sonst ein Problem aufgetaucht ist während
unserer Abwesenheit. Zu Beginn hat uns dies fast ein bisschen
überwältigt und ehrlich gesagt auch gestresst. Wir versuchen
zu hören, wo wir gefragt sind, und wo wir uns auch getrost abgrenzen
können. Dies wird wohl so bleiben, so lange wir in Guinea sind.
Die Freude hier zu sein und die lieben Leute wieder zu sehen, wird auch
überschattet von Ereignissen, die wir nicht einordnen können: eine junge
Mutter stirbt während dem Kaiserschnitts ihres 3. Kindes - das Baby
überlebt (übrigens eine von vielen Müttern,
die während einer Geburt stirbt); Fatou, meine Kleinunternehmerin weiss
nicht, wie sie alle die unvorhergesehenen Rechnungen bezahlen soll, die
auf sie zukommen wie z. B. eine überhöhte Steuerrechnung oder eine
ungerechtfertigte Mietzinserhöhung; Hortense
und ihre Kinder waren alle lange und schwer krank - das Gehalt reicht
nicht aus, um alle die Medikamente und Spitalbesuche zu bezahlen. Diese
Situationen erscheinen mir oft so ungerecht, so schwierig und so
unüberwindbar. Entmutigung will sich so breit machen.
Dann ist es einfach auch immer wieder gut, sich an den kleinen und
manchmal auch grossen Dingen zu freuen, die es hier auch gibt. Und den
Mut nicht aufgeben und zu wissen: wir machen das nicht allein, wir sind
Teil einer weltweiten Gemeinschaft, die sich überall
in der Welt für die Armen und Unterdrückten einsetzt.
Die Worte im Evangelium ermutigen uns weiterzumachen - der Wochenspruch
für die kommende Woche aus den Losungen war so eine Ermutigung heute
Morgen:
Christus sprich: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan. Matthäus 25,40b
Montag, 4. September 2023
Transition - zurück in Guinea nach zweieinhalb Monaten Aufenthalt in der Schweiz
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