Samstag, 18. Mai 2019

Der erste Lack ist weg - Fazit nach über 100 Tagen Conakry!

Nun sind wir also schon genau 110 Tage hier in Conakry zu Hause - Zeit, kurz inne zu halten und Fazit zu ziehen: Um es vorwegzunehmen: der grosse und vielprophezeite Kulturschock ist bislang ausgeblieben, was ja nicht heissen muss, dass er nicht noch kommen wird. Vor kurzem erzählte uns ein langjähriger Afrikakenner, dass bei ihm der Kulturschock nach drei Jahren erst kam... Doch nichts desto trotz ist vieles gewöhnlicher, gewohnter, mühsamer oder einfacher geworden. An die schlechten Strassen zum Beispiel habe ich mich nicht gewöhnt, im Gegenteil, sie nerven mich zurzeit immer mehr. Mit der Armut rund um uns herum tagtäglich konfrontiert zu werden ist gewohnter geworden, was mich achtsam werden lässt, dass ich es nicht zu übersehen beginne. Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich keine Abwaschmaschine habe, und dass das Kochen und Küche machen fast doppelt so lange dauert. Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich die Waschmaschine nur starten kann, wenn Stadtstrom da ist - letztens dauerte es fast zwei Tage, bis es wieder Strom gab. Manchmal kommt er mitten in der Nacht, aber dann mag ich dann nicht aufstehen und die Maschine in Gang setzen. Es wird zusehends mühsamer beim Einkaufen immer über den Preis verhandeln zu müssen - anfänglich machte das noch Spass - nun bin ich in der Versuchung, das Geforderte zu zahlen, einfach um so rasch als möglich weiterzukommen. Ich als effizient arbeitender Mensch finde es mühsam, viel Zeit mit verhandeln, Grussformeln und - floskeln und anderes zu "vergeuden", und gleichzeitig gehört dies hier dazu, und ich bin aufgefordert, mich dieser Kultur zu stellen. Auf der anderen Seite empfinde ich das Leben hier weniger hektisch, die paar wenigen Termine, die ich habe, kann ich gut im Kopf behalten und brauche keine Agenda mehr. Also, nicht dass man jetzt meint, ich arbeite hier nichts und geniesse nur das Leben - irgendwie ist man hier einfacher gestrickt - ich schaue am Morgen, was heute zu tun ist und mache mich an die Arbeit. Wir geniessen die Vielfalt an Früchten und Gemüsevariationen: zurzeit sind die Mangos reif, an jeder Ecke gibt es diese wunderschönen Früchte für wenig Geld zu kaufen - eine Augenweide. Nun wird der Speiseplan mit Mangokuchen, getrocknete Mangos, Mangokonfitüre, Curry mit Mango und vieles mehr ergänzt.
Wir stehen am Anfang der Regenzeit - erste heftige Gewitter haben wir erlebt und auch der Frust, dass das frischgedeckte Dach an einigen Stellen doch (noch)nicht dicht ist. Also stehen wir nun manchmal nachts um 1.00 h auf, um mit den unterschiedlichsten Gefässen aus der Küche die undichten Stellen zu unterstellen - die Stimmung ist dann nicht gerade auf dem Höhepunkt. Wir hoffen, dass wir diese Situation mit unserem Zimmermann noch entschärfen können, da uns die Aussicht auf mehrere Monate Regenzeit mit unterbrochenem Schlaf nicht gerade in Hochgefühle versetzt.
So kommen immer wieder Erfahrungen dazu, die wir noch nicht gemacht haben - zurzeit ist der Ramadan im Gange und das haben wir auch noch nie so hautnah erlebt. Das tägliche Leben in Conakry ist während dieser Zeit anders geworden, langsamer, stiller. Wir beobachten und machen unsere Gedanken. Fazit: wir sind immer noch neu hier, vieles ist immer noch ungewohnt und es braucht wohl weitere 100 Tage, um weiter heimisch zu werden. À bientôt!
Mangosegen

Der hat gefühlt und ungezählt 1000 Füsse!

Süsskartoffel-Frites

 An diese Strassen gewöhne ich mich wohl nie.