Sonntag, 20. September 2020

Katapult

Lange schon wäre ein Blogeintrag fällig - doch mein Hirn war mit so vielem anderem besetzt, dass ich keinen klaren Gedanken in die Tastatur hineinbrachte. Heute will ich es versuchen, schreiben ist ja bekanntlich hilfreich zum verarbeiten. Heute vor fünf Wochen haben wir in Zürich Flughafen eingecheckt und landeten knapp 12 Stunden später in Conakry. Es wäre eigentlich eine problemlose Reise, wenn nicht die weltumspannende Krankheit und Thema Nr. 1 mit uns geflogen wäre - Covid 19. Schon im Vorfeld gab es viele Unsicherheiten, -zig unterschiedlichste Informationen, Flugpreise, die täglich stiegen, Gültigkeitsdauer der Testresultate, die sich fast täglich verkürzten und Visa, die scheinbar nicht mehr gültig seien, obwohl wir unseres erst im Februar erneuerten. In Zürich waren wir zusammen sieben Erwachsene und zwei Kinder, die denselben Flug nahmen und beim Check-in bekamen alle eine andere Auskunft: bei den einen war das Visa gültig, bei den anderen nicht, obwohl es genau das Gleiche war. Bei den einen war der Covidtest ok, bei den anderen zu alt. Eine Kollegin, die für dieselbe Organisation arbeitet wie wir es tun, bekam die Auskunft, dass sie keine Berechtigung habe, in Guinea einzureisen; uns hingegen liessen sie durch. Der Puls und der Blutdruck waren schon angestiegen, als wir dann alle, wirklich alle, drei Minuten vor Schalterschluss durch die Schranke gingen. Dies verdanken wir dem guineischen Konsul in Genf, der doch tatsächlich am Sonntagmorgen früh an sein direktes Telefon ging und uns die Einreise per Emailbestätigung direkt an den Check-in Schalter bewilligte! "Wie wird das erst in Conakry bei der Imigration werden, wenn die bereits in Zürich so schwierig tun!" Dieser Satz ging uns allen durch Kopf und Herz. Doch oh Wunder, von da an lief alles wie geschmiert. In Conakry Flughafen ist alles gut organisiert, Füsse aufgemalt am Boden, überall genügend Leute, die peinlich darauf achteten, dass wir genau auf diese Füsse stehen. Bei der Passkontrolle war zwar noch etwas umständlich, aber wider allen Erwartens stehen wir bald einmal mit 9 Personen und total 17 Gepäckstücken und nochmals sovielen Handgepäcken auf dem Parkplatz, wo wir von unseren einheimischen Mitarbeitern herzlichst empfangen wurden. Unerklärlicherweise fehlt ein Gepäckstück - na ja, unsere Kollegen nehmen es gelassen, das wird schon noch irgendwann nachkommen.

Guinea hat uns wieder oder besser gesagt: wir haben Guinea wieder. Schon auf dem Weg nach Hause fühle ich mich wie von einem Katapult geschossen, hinein in eine andere Welt. Und so geht es mir die ersten 3-4 Wochen hier in Conakry. Obwohl ich bereits 15 Monate in Conakry gelebt habe, fühlt es sich gerade sehr komisch an. Der Unterschied zwischen Schweiz und Guinea könnte wohl nicht grösser sein. Durch den Lockdown bedingt haben wir in der Schweiz die Natur und die vielen Annehmlichkeiten wohl noch mehr genossen und es richtig in uns aufgesogen. Nun sind wir zurück in unserem Gastland ohne die rosarote Brille, die wir bei unserer ersten Einreise noch trugen. Die Realität wird mir schmerzlich vor Augen geführt. Dieser chaotische Verkehr, dieser Dreck, der vor allem in der jetzt herrschenden Regenzeit noch offensichtlicher ist, diese Armut überall. Es braucht doch einige Tage, bis ich mich wieder zurechtfinde, vor allem in meinen Gefühlen und Gedanken. Was ist es denn eigentlich, was mich hierher zurückgezogen hat? Es sind die Menschen! Wir werden überall so herzlich und freudig empfangen und begrüsst. Ich höre wieder die Kinder und das quirlige Leben auf der Strasse. Das ist es, was ich in der Schweiz vermisst habe! Die Leute freuen sich und können es nicht glauben, dass wir zurück sind. Sie meinten, wir seien auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Und nun sind sie wieder da, die Weissen! Und es macht Sinn, hier zu sein. Wir  haben viele Pläne und Ideen, wollen umsetzen, was wir in der Schweiz in unseren Köpfen ausgeheckt haben. Einiges wird gelingen, anderes nicht. Doch wir wissen, dass wir am richtigen Platz sind und die richtige Aufgabe haben.

Zwischenlandung in Mauretanien



 

           
Monsieur Pierre ist wieder da    
    
Und auch Madame...