Sonntag, 2. Januar 2022

Mein Jahr 2021 - ein Resümee!

Diese Tage zwischen den Jahren lassen auch uns hier in Guinea etwas Zeit, um über Vergangenes und Zukünftiges nachzudenken. Am 30. Dezember las ich einen Spruch, der mich nun so bewegt hat, dass ich es hier formulieren möchte, dieses Bewegtsein. Dieser Spruch half mir, mein Jahr 2021 zu verarbeiten und loszulassen:

Mit Kummer vertraut sein, doch ohne Bitterkeit leben; 

an sich zweifeln, doch nicht verzweifeln; 

die Verborgenhiet Gottes schmerzlich empfinden und dennoch hoffnungsvoll glauben. 

Um die eigene Schuld wissen und doch in der Gnade stehen. 

Manches entbehren und doch alles haben.

Ich nenne es Christsein. Marie Hüssing  

Mit Kummer vertraut sein: fast täglich höre ich hier eine traurige, kummervolle Nachricht: Kinder, junge Mütter und gesunde starke Männer sterben an Krankheiten, Geburten, Operationen. Unfälle, Krankheiten und Verletzungen lassen die Menschen in die Armut fallen. Arbeitslosigkeit, Korruption in Spitälern, Gerichten, Ministerien lassen Leute verzweifeln. Ich bin ein aussergewöhnlich gerechtigkeitsliebender Mensch, ertrage es so schlecht, wenn Schwache noch mehr geschwächt werden, und wetze gerne die Messer, wenn es ungerecht zu- und hergeht. Für die Enneagrammkenner: ich bin eine Acht. Wie überlebe ich hier gesund, ohne bitter zu werden? Seit ich in Afrika lebe, lernte ich schmerzlich, diese "Ungerechtigkeitsnot" in den Himmel zu klagen. Es bleibt mir oft nichts anderes übrig. Meine Fähigkeiten und Möglichkeiten sind beschränkt, ich kann nur den bekannten Tropfen auf dem heissen Stein bewirken. Alles andere muss ich Gott überlassen, und er spricht mir zu, dass er ein Gott des Rechts und der Gerechtigkeit ist, und dass eines Tages Recht gesprochen wird. Wenn ich auf das vertraue, werde ich nicht bitter: eines Tages wird von oberster Stelle Recht gesprochen werden, dann bekommen diese machtgeilen Regierungen, diese geldgierigen Ausbeuter und diese korrupten Beamten ihren gerechten Lohn.

Wir oft habe ich an mir gezweifelt! Ist es richtig, wie und was ich mache? Lohnt es sich? Hilft es? Macht es Sinn? Es ist gut zu hinterfragen, nachzufragen und andere Meinungen einzuholen. Doch dann muss ich auch wieder loslassen und vertrauen, dass mein Vater im Himmel es dann schon zurechtbiegt, das, was ich vielleicht verbockt habe - nicht verzweifeln, vertrauen.

Wie oft habe ich nichts von Gott gespürt, meine Gebete schienen bis zur Decke zu gehen. So oft bete ich um Heilung für Kranke und nichts passiert. So oft schreie ich zum Himmel und bitte, dass der Herr sich erbarmt, und es geschieht nichts Offensichtliches. Und dann wieder geschehen kleine Wunder, manchmal auch grosse, manchmal nur ein herzliches Lächeln, ein: "Es geht mir besser" und mein Glauben wird wieder gestärkt.

Und so oft bin ich schuldig geworden an meinen Mitmenschen! Ein gehässiges Wort an meinen Liebsten, eine ruppige Antwort an meine Hausangestellte, ein beleidigter Gedanke, weil ich wieder mal zu kurz zu kommen scheine. Wie oft schaue ich neidvoll auf meine Kolleginnen, die es offenbar besser machen; und leider noch vieles mehr. Wie könnte ich da weiterleben, ohne zu wissen, dass da einer ist, der dies alles auf sich geladen hat und mich immer wieder gnädig annimmt und mir vergibt?!

Ja, ich entbehre einiges, nicht wirklich viel Materielles, es sind eher die Beziehungen, die fehlen;  die Nähe zu unseren Kindern, und dieses Jahr besonders die Nähe zu unserem ersten Enkelkind. Uns fehlen die Sauberkeit der Schweiz, die Sicherheit auf den Strassen, die optimale Gesundheitsversorgung des Westens - und doch: so vieles wurde mir geschenkt im Überfluss. So viele Freunde, die aus der Ferne mit uns mitgehen, unser Enkelbub, der via Facetime uns sein Lächeln sendet, die Bewahrung auf der Strasse, die Gesundheit (Covidkrank waren wir notabene in der Schweiz), die vielen fröhlichen Kinder, die einfach immer und überall sind. Die Möglichkeit bekommen zu haben, eine Vision Realität werden zu lassen, für Menschen ein Geschenk sein zu dürfen. Doch alles haben!

Nicht dass ich dies alles im Griff hätte - bei weitem nicht. Es ist und soll mir ein Leitfaden sein für das neue Jahr, das bereits begonnen hat - was macht aus mir eine gute Christin? - Maria Hüsing braucht fünf Sätze, um es zu formulieren - lassen wir uns davon inspierieren und motivieren.


Best friends


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