Freitag, 8. März 2019

Kakimbo - unsere neue Heimat

Wenn ich morgens aufwache, muss ich noch immer wieder studieren, ob wir nun wirklich hier wohnen - hier in dieser grossen Stadt Conakry, der Hauptstadt Guineas. Vieles erscheint uns immer noch so unwirklich - diese neue Welt - unser Leben ist komplett auf den Kopf gestellt. Währenddem ich hier schreibe, sitzt mein Mann bei uns im Garten im sogenannten Rondell zusammen mit 5 Nachbarsjungen im Alter von 5 - 8 Jahren, die er heute Morgen kennengelernt hat: Sie erzählten ihm, dass sie nicht zur Schule gehen, weil die Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können. Also hat er sie kurzerhand eingeladen, um mit ihnen zu zeichnen, schreiben und Papierflieger zu basteln. Draussen vor dem Tor stehen noch einige andere Jungs, die auch kommen wollen und die immer wieder rufen. Unser Quartier Kakimbo, wo wir wohnen, ist dichtbevölkert. Die meisten Häuser sind sehr ärmlich und die Leute holen das Wasser bei der Wasserstelle. Und überall hat es Kinder, viele Kinder. Hier in Guinea werden die Kinder bis zweijährig verhätschelt, rumgetragen, gestillt und sie weinen nie. Sobald ein Geschwisterchen kommt, ist die schöne Zeit vorbei. Ab circa zweijährig laufen sie oft alleine durchs Quartier, bestenfalls schaut eine Schwester oder ein Bruder zu ihnen. Viele Kinder gehen nicht zur Schule, eben wie erwähnt wegen dem fehlenden Schulgeld. Jedes Kind, das zur Schule will, braucht eine Uniform- eine beige Hose und eine beige Bluse, geschlossene Schuhe und einen Rucksack oder ähnliches. Dazu kommt das Schulgeld, monatlich ca. 5 Euro. Viele können das nicht bezahlen und so bleiben die Kinder halt zu Hause, lungern irgendwo rum oder müssen zu Hause hart arbeiten. Diese Kinder haben sozusagen keine Chance weiterzukommen. Bildung verändert Leben, ein wichtiger Grundsatz unserer Organisation - und nun sehen wir hier praktisch, wie nötig das ist.
Unsere Prioritäten haben sich sehr verändert - vieles, das uns in der Schweiz wichtig war, hat hier absolut keine Relevanz mehr. Hier gibt es zum Beispiel nicht 15 verschiedene Einrichtungshäuser mit diesen Sachen für "schöner Wohnen": hier bin ich froh, wenn ich überhaupt eine Nachttischlampe finde - meine Lieblingsfarbe ist auch nie dabei.
Heute Morgen machten wir einen Besuch im Augenspital, das eine Mitarbeiterin unserer Organisation vor bald 15 Jahren gegründet hat: auch hier sind die Verhältnisse so komplett anders als in der Schweiz: Die Wartezimmer überfüllt, die Wartezeiten sehr lange, die Geräte sehr einfach, überall Leute und ein Durcheinander, das aber irgendwie zu funktionieren scheint - man könnte es sich bei uns nicht vorstellen. Hier ist man einfach nur froh, wenn man die Möglichkeit bekommt, dass ein Augenarzt in die Augen schaut und bei Bedarf z. B. den Grauen Star für umgerechnet ca. 60 Euro operiert. Im Falle einer OP kommt noch ein Teil der Familie mit und bringt die Verpflegung für den Patienten mit.
Auf unserem regelmässigen Spaziergang zum Meer runter, begegnen wir vielen Menschen, vor allem Kinder - wir reden, wir fragen nach und wir bekommen viel Herzlichkeit, Fröhlichkeit und Dankbarkeit geschenkt. Es scheint einem, dass hier niemand einsam ist - die Guineer schauen zueinander, sie leben Gemeinschaft. Und wir werden mitten hinein genommen. Das ermutigt uns weiterzumachen, mit den vielen "kleinen Tropfen" auf dem heissen Stein zu leben. Lohnt es sich? Lohnt es sich nicht? Wir denken, jedes Lächeln, jede kleine Geste lohnt sich und wir werden selber beschenkt dabei.
Bügeln - etwas einfacher dafür stromunabhängig

Wartesaal in der Augenklinik mit der Fondatrice

Instrumente bereit für die Augenoperationen

OP-Tisch bereit mit Mikroskop
Der letzte Schrei von Nachttischlampen - bisschen retro - nicht?



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